Freiberger Rathaus

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Freiberger Rathaus auf einer Postkarte

Lage

Das Freiberger Rathaus befindet sich auf der Ostseite des Obermarktes und nimmt beinahe die Hälfte besagter Seite ein.[1] Gegenüber liegt die Häuserzeile, die Petriplatz und Obermarkt trennt.

Geschichte

Das heutige Rathaus geht auf einen romanischen Bau aus dem 13. Jahrhundert zurück, dessen Grundriss um einiges kleiner war als der des heutigen Gebäudes. Romanische Bausubstanz enthalten die Grundmauern des Rathauses noch heute. Durch das stetige Wachstum der Stadt Freiberg im 15. Jahrhundert und durch Beschädigungen während den ersten beiden Stadtbränden 1375 und 1386 bedingt, erfolgte ein Neubau des ursprünglichen Hauses im spätgotischen Stil.[2] Die wesentlichen Elemente des Rathauses stammten aus den Jahren 1410 bis 1416, in denen das Rathaus umgebaut wurde. Auch vom dritten Stadtbrand 1471 blieb das Ratsgebäude nicht verschont. Der Rathausturm, der das heutige Bild des Baus in besonderem Maße prägt, geriet vor allem in Mitleidenschaft. Die Bauherren restaurierten den Turm, seit 1618 besitzt er seine jetzige Höhe. Die Rathaustür stammt von 1775 und ist mit dem Stadtwappen verziert, welches um 1500 aus dem ältesten Stadtsiegel hervorging. Dieses Siegel ist auf das Jahr 1227 datiert.[3] In der Mitte des 19. Jahrhunderts ließen die Bauherren acht Meter der Dachziegel abgetragen, was aus Sicht des Historikers Heinz Ufer „die architektonische Wirkung des Baus stark beeinträchtigt“.[4] Die vorerst letzten Restaurationsarbeiten am Rathaus fanden 1919/1920 statt, dabei erweiterten Handwerker das Dachgeschoss.[5] Ähnlich dem Obermarkt galt auch das Freiberger Rathaus als Ort politischer Entscheidungen und Kundgebungen. Beispielsweise segnete Bürgermeister Dr. Werner Hartenstein am 7. Mai 1945 die kampflose Übergabe Freibergs an die Rote Armee gemeinsam mit dem Wehrmachtsoffizier Oberstleutnant Carl Redlich in der Ratsstube ab.[6] Außerdem sprach der erste Präsident der DDR Wilhelm Pieck am 14. Mai 1952 zu den Freiberger Bürgern.[7] Eines der charakteristischsten Merkmale des Rathauses kam erst 1986 dazu: Seit der 800 Jahrfeier erklingt täglich um 11:15 und 16:15 die inoffizielle Hymne der Bergstadt Freiberg: Das Steigerlied „Glück Auf, der Steiger kommt.“ Es spielt ein Glockenspiel, gefertigt aus Meißner Porzellan.[8]

Einige Teile des Freiberger Rathauses

Renaissance-Erker

Die Fassade des Rathauses schmücken diverse Verzierungen, Verschnörkelungen und Anbauten, welche maßgeblich aus dem 16. Jahrhundert stammen. Zu ihnen gehört unter anderem der Renaissance-Erker, der größere von ursprünglich zwei Erkern, welcher im Jahr 1578 vom Steinmetz Andreas Lorentz konstruiert wurde. Den Erker, gestützt auf imposante Kragensteine, zieren verschiedene Wappen, unter anderem das Freiberger und Meißner Stadtwappen sowie das Kursächsische und Thüringer Landeswappen. An einer Seite ist ein sogenannter „Gaffkopf“ mit Knebelbart und Sturmhaube angebracht, der auf den Obermarkt blickt. Dem Volksmund nach stellt die Figur den Kopf des hingerichteten Ritters Kunz von Kauffungen dar, welcher auf die Stelle seiner Tötung, markiert durch einen schwarzgefärbten Stein, starrt.[9}

Rathauskeller

Aus dem Mittelalter sind ehemalige Gefängniszellen und der „Marterkeller“ in den unterirdischen Räumen des Rathauses erhalten. Diese Zellen waren ursprünglich nur durch eine Falltür im Turm des Ratsgebäudes zugänglich[10] und beherbergten „prominente“ Häftlinge: Neben Kunz von Kauffungen, welcher der Legende nach seine letzte Nacht in einer Freiberger Kerkerzelle verbrachte, befand sich auch der Räuber Lips Tullian (1673-1715) vom September 1710 bis zum November 1711 im Rathauskeller in Gewahrsam, bevor er zur Hinrichtung nach Dresden verbracht wurde. In den Kellerräumen sind erste mittelalterliche Abwassersysteme, "Anzüchte" genannt, zu besichtigen.[11]

Ratsdiele, Rathaussaal und Lorenzkapelle

Ratsdiele und Rathaussaal befinden sich im Obergeschoss des Gebäudes. Die Ratsdiele ist heute ungenutzt, geschmückt durch eine spitzbogige Holzbalkendecke und zwei Prangersteine. Ebenfalls ist die Hälfte der Leiter, welche von Kauffungen zum Prinzenraub in Altenburg nutzte und im Prozess gegen den Ritter als „corpus delicti“ erschien, zu besichtigen.[12] Im angrenzenden Rathaussaal fanden, vor der Gründung des Stadttheaters, Theateraufführungen und vor allem repräsentative Festlichkeiten statt.[13] So heirateten Herzog Heinrich der Fromme und seine Verlobte Katharina von Mecklenburg prunkvoll in diesem Saal.[14] Die Lorenzkapelle grenzt auch an den Rathaussaal, befindet sich allerdings im Rathausturm. Vor Ratssitzungen hielten Geistliche Messen bis zur Reformation. Die Kapelle fällt besonders durch Wandmalereien und einem prächtigen Sterngewölbe auf.[15]

Ratsarchiv

Das Archiv existiert seit 1632, die Räume dienten vorher als Silberkammer. In 96 Kammerkästchen lagern stadthistorisch und international bedeutsame Dokumente, wie päpstliche Bullen oder königliche bzw. kaiserliche Anordnungen. Die älteste Urkunde stammt aus dem Jahr 1224, international bedeutsam sind die Handschriften des „Freiberger Stadtrechts“ und „Freiberger Bergrechts.“ Stadt- und Gerichtsprotokolle, Amtsbücher und geistliche Urkunden zeugen von Freibergs wechselhafter Geschichte.[16]

Quellen

Lauterbach, Werner: Freiberg. Die Silberstadt Sachsens, Stadtführer mit Stadtplan, Stadt-Bild-Verlag, Leipzig 2009

Ufer, Heinz: Brockhaus-Stadtführer Freiberg, VEB F.A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1976

Einzelnachweise

[1]: Lauterbach, Werner: Freiberg. Die Silberstadt Sachsens, Stadtführer mit Stadtplan, Stadt-Bild-Verlag, Leipzig 2009, S. 11

[2]: Ufer, Heinz: Brockhaus-Stadtführer Freiberg, VEB F.A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1976, S. 53

[3]: Lauterbach, Werner: Freiberg. Die Silberstadt Sachsens, Stadtführer mit Stadtplan, Stadt-Bild-Verlag, Leipzig 2009, S. 11f.

[4]: zitiert nach: Ufer, Heinz: Brockhaus-Stadtführer Freiberg, VEB F.A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1976, S. 53

[5]: ebenda

[6]: Lauterbach, Werner: Freiberg. Die Silberstadt Sachsens, Stadtführer mit Stadtplan, Stadt-Bild-Verlag, Leipzig 2009, S. 12

[7]: Ufer, Heinz: Brockhaus-Stadtführer Freiberg, VEB F.A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1976, S. 53

[8]: Lauterbach, Werner: Freiberg. Die Silberstadt Sachsens, Stadtführer mit Stadtplan, Stadt-Bild-Verlag, Leipzig 2009, S. 11

[9]: ebenda, S. 13

[10]: Ufer, Heinz: Brockhaus-Stadtführer Freiberg, VEB F.A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1976, S. 54

[11]: Lauterbach, Werner: Freiberg. Die Silberstadt Sachsens, Stadtführer mit Stadtplan, Stadt-Bild-Verlag, Leipzig 2009, S. 13

[12]: Ufer, Heinz: Brockhaus-Stadtführer Freiberg, VEB F.A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1976, S. 54

[13]: ebenda

[14]: Lauterbach, Werner: Freiberg. Die Silberstadt Sachsens, Stadtführer mit Stadtplan, Stadt-Bild-Verlag, Leipzig 2009, S. 12

[15]: ebenda

[16]: Ufer, Heinz: Brockhaus-Stadtführer Freiberg, VEB F.A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1976, S. 54