Wolfsburg (Marburg)

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Die Wolfsburg ist ein Gebäude unterhalb des Marburger Schlosses vor der ehemaligen Landgräflichen Kanzlei. In der fast tausendjährigen Geschichte des Hauses trug das Bauwerk verschiedene Namen und erfüllte diverse Zwecke. Gegenwärtig wird die Wolfsburg als Verbindungshaus der Turnerschaft im CC Schaumburgia verwendet.


Lage und Umgebung

Die Wolfsburg liegt direkt oberhalb des Marktplatzes in der Landgraf-Philipp-Straße 2/Ecke Ritterstraße, einer verkehrsberuhigten und mit Kopfstein gepflasterten Seitenstraße in der Oberstadt. Die Landgraf-Philipp-Straße führt weiter hinauf zum Schloss, so dass das Haus auch im Einzugsbereich von Touristen liegt. Da das Gebäude im Laufe der Zeit mehrfach den Besitzer wechselte und oft dessen Namen annahm, wird es der Einfachheit halber im Folgenden als Wolfsburg bezeichnet.


Entstehungsgeschichte

Eine genaue Datierung der Gründung des Ortes Marburg liegt auch in der heutigen Forschung im Dunkeln. Die erste Urkunde, die Marburg (Markburg = Grenzburg) nennt, stammt aus dem Jahre 1130. Das Siedlungsbild zeigt vier Teile. Auf dem Berg stehen die ältesten Burgbauten, die damals als Erbe des hessischen Landgrafen Giso an die thüringischen Landgrafen gekommen waren.

Um die Burg herum siedelten sich mehr und mehr Bewohner an und es entstand der Marktflecken Marburg. Auf dem Terrassenbogen unterhalb des Schlosses, wo heute die Ritterstraße verläuft, befanden sich die Sitze der Burgmannen, freie Ritter, deren Aufgabe die Verteidigung der Burg war. Sie bildeten den Kern der Vertrauten der Landgrafen. Dafür wurden sie mit Titeln versehen und erhielten Höfe rund um den Schlossberg. Finanziert wurden sie mit landwirtschaftlichen Gütern in den nahen Ortschaften. Ihre Stellung als Burgmannen stellte sie dabei frei von Zins- und sonstigen Abgaben an den Landesherrn. Baulich waren diese Höfe aber strikt von der Siedlung um den heutigen Marktplatz getrennt, wo als älteste Kirche die St. Kilianskapelle stand. Unten im Lahntal lagen schließlich viertens der Brückenvorort Weidenhausen und – verhältnismäßig weit ab nach Norden hin – der Häuserbezirk, der die Menschen als Wallfahrtsort am meisten anzog. Das war die Komturei des Deutschritterordens, zu dessen Händen vor der Mitte des 13. Jahrhunderts die Reliquien der heiligen Elisabeth überantwortet waren, der Landgräfin von Thüringen, die sich hier in ihren letzten Lebensjahren für Arme und Kranke geradezu verzehrt hatte (1231). Zur Erhebung ihrer Gebeine war sogar der Staufenkaiser Friedrich II. 1236 ins Lahntal gekommen. 1234 schon war der Bau einer großen Kirche, der größten frühgotischen ganz Deutschlands, in Angriff genommen worden. Sie stand, abgesehen von den Türmen, vor Ende des 13. Jahrhunderts beherrschend im Lahntal und barg in einem wertvollen Schrein die Gebeine Elisabeths.

Auf dem Grundstück der heutigen Wolfsburg stand zu dieser Zeit einer dieser Burgmannshöfe.


Gebäudegeschichte

Im 14. Jahrhundert trug das Grundstück allerdings kein Wohnhaus, sondern nur Wirtschaftsgebäude. Diese waren freies Eigentum der mächtigen Familie von Bicken und wurden in einer Urkunde von 1381 „bober dem Kerner“ genannt. Dieser Hofbezirk kam noch im gleichen Jahrhundert an die Ritterfamilie von Hose aus Ockershausen, deren Burgsitz unmittelbar darüber lag – dort wo jetzt das alte Landgericht, heute die Religionskundliche Sammlung der Universität Marburg steht. Ihr Rittersitz muss stattlich gewesen sein, er wird im 15. und 16. Jahrhundert oft genannt, entweder als Hosenhof oder als steinerne Kemenate am Burgberg, und bestand in seiner besten Zeit aus drei festen Häusern und drei Gärten. Zwei von diesen letzteren lagen über den Steinhäusern jenseits der heutigen Landgraf-Philipp-Straße, der dritte unter ihnen, eben da, wo jetzt die Wolfsburg steht. Den Hoses ist dieser untere Anhang ihres Besitzes zunächst nicht viel wert gewesen, denn am 13. April 1386 verkaufte Volpracht Hose ihn an das oberhessische Adelsgeschlecht von Hachen, und zwar als „Scheuer zu Marburg obir dem kernere“.

Die nächste Urkunde, die für die Betrachtung herangezogen werden kann, ist über 100 Jahre jünger und gibt für 1514 als neuen Eigentümer einen Dr. Schmuck an, der den Hofraum aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Mitglied der Familie Hose gekauft hat. Die Hoses müssen also das Grundstück noch einmal von den Hachens zurückgekauft haben.

Die Zeiten von Rittertum und Burgen gingen mit Beginn des 16. Jahrhunderts und im Laufe von Reformation und Humanismus endgültig zu Ende. Nun lag ein gewaltiges Schloss auf der Kuppe des Berges, und in ihm wohnte und regierte ein Landesfürst; zu Beginn der Neuzeit war er einer der größten und bekanntesten im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, es war Landgraf Philipp I., der Großmütige. Er führte in seinem Land und damit in Marburg den neuen Glauben ein und gründete 1527 in seiner Residenzstadt zu Füßen des Schlosses die erste protestantische Universität, die nach ihm benannt wurde.

1529 sah es innerhalb der Mauern der Wolfsburg anders; die Zeit des Scheunenhofes war vorüber. 1514 wird ein Dr. Schmuck als Eigentümer genannt. Es handelt sich hier um einen hessischen Rat, der aus Kassel stammte und in Köln studiert hatte. Entweder hatte er schon ein Wohnhaus miterworben, oder er hatte es sich in seinem Grundstück errichtet. Dieses ging bald in den Besitz von einer Margaretha von Grifte über, die es 1525 für 158 Goldgulden an Caspar von Berlepsch weiterverkaufte.


Berlepscher Hof

Von da an hieß das Bauwerk bis in das 19. Jahrhundert der Berlepsche Hof. Noch im 16. Jahrhundert ist hier unmittelbar neben dem Haus der Familie von Berlepsch ein zweites gebaut worden, das einen anderen Besitzer hatte. So standen damals zwei Gebäude auf dem Grundstück der heutigen Wolfsburg. Das zweite wurde 1611 „Herrn Cathrin Hof“ genannt. Es ist wahrscheinlich, dass dieser Herr Cathrin der Professor der neueren Sprachen Catharinius Dulcius (1540–1626) aus Savoyen war.

Von seinem neben dem Berlepsch’schen gelegenen Haus ist das heutige Eingangstor zum Garten der Wolfsburg erhalten geblieben. Nach dem Tod von Dulcius wurde dessen Haus von dem Advokaten Peter Wolff erworben, der es 1640 seiner Witwe hinterließ. Ob damals schon der Name Wolffsches Haus oder Wolfsburg aufgekommen ist, kann angenommen werden, lässt sich aber nicht belegen.

Im 16. Jahrhundert traten auch an anderer Stelle im Raum der Rittergasse und der heutigen Landgraf-Philipp-Straße Veränderungen ein. Der Hosenhof kam 1519 an den Kanzler Philipps des Großmütigen, Johann Feige, welcher der Ausgangspunkt der Reformation in Hessen und der Universitätsgründung in Marburg war. Der in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts in Marburg regierende Landgraf Ludwig fasste den Entschluss, in der Nähe des Schlosses einen großen Kanzleibau zu errichten. So bat er 1572 die Söhne des Kanzlers Feige, ihm ihr großes Grundstück zu überlassen. Und in der kurzen Zeit von 1573 bis 1575 erbaute hier der Architekt Ebert Baldewein ein wuchtiges Regierungsgebäude, in das 1878 Landgericht und Staatsanwaltschaft zogen. Heute beherbergt dieses Gebäude die Religionskundliche Sammlung der Stadt Marburg und ist neben dem Schloss und der Wolfsburg auch aus der Ferne sichtbar.


Namensherkunft der Wolfsburg

1604 kam Marburg an die jüngere Linie des Landgrafenhauses, an Hessen-Darmstadt. Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt ließ oberhalb der Regierung (des Landgerichts), also jenseits der Landgraf-Philipp-Straße 1627/28 zwei Häuser erbauen. 1636 schenkte er beide Bauwerke zugleich mit dem großen Garten als adliges Burgmannsgut seinem Günstling und Kanzler Antonius Wolff von Todenwarth, der im Dreißigjährigen Krieg in Hessen eine große Rolle gespielt hat und noch kurz vor seinem Sturz zum Reichsfreiherrn erhoben wurde. Sein prächtiger Besitz wurde bald Wolffsches Haus und 1678 erstmals Wolfsburg genannt; ein Rest von diesem Gebäude ist heute noch zu sehen.

Es wird angenommen, dass die Bezeichnung Wolfsburg zum ersten Mal 1824 auftauchend als „Berlepsche Ruine Wolfsburg“ von dem Gebäudekomplex des Kanzlers stammt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts war der Besitz des Wolff von Todenwarth verfallen, die Regierung und die Stadt ließen alles abbrechen. Seit rund 1700 spricht man von einem herrschaftlichen Garten unter dem Schloss, genannt Wolfsburg. Durch die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges wurden sowohl der Berlepsche Hof wie auch die darüber liegende Wolfsburg zur Ruine.

Das Berlepsche Haus blieb noch lange in diesem Zustand. Die Eigentümer erhielten im Hinblick auf die Nähe zum Schloss nicht die Genehmigung zum Wiederaufbau. So verpachteten sie die Ruine wegen der gut brauchbaren Keller an den Wirt des städtischen Weinhauses „Zum Ritter“, Johannes Klingelhöfer. 1679 verkauften Burghard und Eitel von Berlepsch die Ruine an Johann Helfrich Dexbach, 1684 ging sie aus der Hand seiner Witwe in die des Rats Nikolaus Klunck über.

Zu dieser Zeit gehörte der Teil des Grundstückes, auf dem das Dulcius-Haus gestanden hatte, der Witwe des Dr. Frantz, die unmittelbar gegenüber in der Ritterstraße wohnte.

Die bekannten Eigentümer des Berlepsch’schen Hofes im 18. Jahrhundert waren der hessische Regierungsrat und geheime Sekretär Levin Georg Friedrich Hein, dann seine Witwe und seit 1778 der Schwiegersohn, der Kurpfälzische Geheimrat Gerhard Wilhelm Dolaeus von Cronenberg. Die Baustätte war 1770 noch im Besitz der Frantzschen Erben. Sie ist aller Wahrscheinlichkeit nach unter Cronenberg mit dem Hauptplatz wieder zu einem einheitlichen Platz zusammengewachsen.

1813 verkaufte der Geheime Rat von Cronenberg das Grundstück an den Landrat Johann Moritz Schenck zu Schweinsberg, dieser „die sogenannte Berlepsch’sche Ruine Wolfsburg“ am 5. November 1824 an den Regierungspräsidenten und späteren Justizminister Ferdinand Schenck zu Schweinsberg. 1831 ging die Wolfsburg in die nächste Hand über, Besitzer wurde der Bäckermeister Peter Römheld. Von diesem kam sie an den Obergerichtsanwalt Karl Grimm, der die Ruine wieder zu einem Wohnhaus machte.


Die Wolfsburg unter Karl Grimm

Gleich nachdem Grimm am 25. April 1861 für 970 Taler Eigentümer geworden war, gab er dem Architekten Friedrich Lange den Auftrag, die Wolfsburgruine im neugotischen Stile auf- und auszubauen. Nach der Ausbesserung und zum Teil Erneuerung des Erdgeschosses und des ersten Stockes wurde ein Dachgeschoss aufgesetzt. Lange begrenzte dieses nach den Seiten hin durch zwei Treppengiebel und erweiterte es nach der vorderen Front hin durch einen großen Ausbau. Einen besonderen Schmuck erhielt sein Werk durch den kleinen Erker, den er der Ecke des ersten Stockwerkes anfügte sowie einer hochwertigen Innenausstattung.

1871 wurde der Springbrunnen in der Mitte des Gartens errichtet, der von dem bedeutenden Neugotik-Architekten Carl Schäfer entworfen wurde. Später kam der Seitenanbau mit dem Turm dazu.

Justizrat Grimm hat bis zu seinem Tode in der Wolfsburg gewohnt und etablierte die Bezeichnung für sein neu errichtetes Bauwerk. Seine Tochter, Frau Major Behrend, verkaufte das ererbte Haus 1903 an den Universitätsbuchhändler Georg Schramm. 1906 kam es auf einer Zwangsversteigerung an den Rentner August Lorenz zu Diez, 1908 an den Rittergutsbesitzer Peter Kriens zu Biebrich, der das Haus bald aufs Neue zum Kauf anbot. Am 11. Januar 1910 ging sie in das Eigentum der Turnerschaft Schaumburgia über.


Fenster im Salon des Karl Grimm

Besonders prächtig wurde der Salon im ersten Obergeschoss ausgebaut. Hier sind die Wappenfenster hervorzuheben, welche im Folgenden kurz beschrieben werden sollen.

Im Erker befinden sich acht Wappenfenster. Diese symbolisieren verschiedene, damals hessische Territorien: Die Grafschaft Ziegenhain, das Schaumburger Nesselblatt für die Grafschaften Schaumburg, Isenburg, Katzenelnbogen, Diez, Nidda, das Großherzogtum Fulda sowie das Fürstentum Hersfeld.

Die großen Fenster des Salons zeigen von links nach rechts: Das Wappen der Stadt Marburg, das Wappen der Stadt Kassel, das Familienwappen des Karl Grimm, das Wappen der Auguste von Goeddaeus – der Ehefrau des Karl Grimm, sowie die Stadtwappen von Hanau und Fritzlar. Die sechs großen Fenster im ehemaligen Salon der Wolfsburg beinhalten in ihrem oberen Fünftel jeweils ein Wappen-Buntglasfenster.

Die Auswahl der Wappen stellt ein Ensemble dar. In den beiden mittleren Fenstern befinden sich die Familienwappen der Familien Grimm und von Goeddaeus. Die Fenster links und rechts daneben stellen die Wappen der Städte mit dem stärksten Bezug auf die Familien dar: Marburg und Kassel einerseits, Fritzlar und Hanau andererseits.

Die Wappen im Erker stellen alle hessischen Landesteile, abgesehen von den Fürstentümern Hanau und Fritzlar dar. Diese beiden Gebiete werden jedoch durch ihre Stadtwappen in den beiden rechten Fenstern vertreten.


Heutige Nutzung

Heute beherbergt die Wolfsburg das Wohnheim Wolfsburg, welches sieben Zimmer, vorrangig an Studenten vermietet. Gleichzeitig verfügt die Turnerschaft Schaumburgia über einen Saal im Haus, in dem sie Veranstaltungen durchführt. Dieser Saal ist gleichzeitig der größte Raum des Hauses und diente in früherer Zeit Karl Grimm als Salon.



Text: Wikipedia

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