Mainz Hauptbahnhof

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Ansichtskarte vom Bahnhof Mainz (1915)

Der heutige Hauptbahnhof wurde 1882–1884 nach Plänen von Philipp Johann Berdellé im Rahmen der Stadterweiterung nach dem deutsch-französischen Krieg als Centralbahnhof errichtet.


Ausgangssituation

Durch die Rheinschifffahrtsakte 1831 verlor Mainz das Stapelrecht und wurde von der Schifffahrt wegen seines versandeten Hafens und der hohen Zwischenzölle gemieden. Am 13. April 1840 wurde die Taunus-Eisenbahn zwischen Frankfurt am Main, Mainz-Kastel und Wiesbaden eröffnet und zog Transit- und Fremdenverkehr aus Mainz ab.

Mainz war die größte Stadt des Großherzogtums Hessen und traditionell ein starker Handelsplatz. Das machte die Stadt zu einem attraktiven Knotenpunkt im entstehenden Eisenbahnnetz. Die in Mainz ansässige Ludwigsbahngesellschaft erwirkte daher Konzessionen zum Bau von Eisenbahnstrecken, die von Mainz ausgingen. 1845 erhielt sie die Konzession für die Bahnstrecke nach Ludwigshafen, der Bau begann 1847. Die Fertigstellung der Strecke verzögerte sich infolge der politischen Ereignisse 1848/49 bis zum 23. März 1853, der erste Mainzer Bahnhof wurde sogar erst im August 1853 eröffnet.


Planungen

Im Laufe der nächsten Jahre erhöhte sich das Fahrgastaufkommen, als Mainz zu einem Knotenpunkt der Linien nach Darmstadt, Aschaffenburg und Bayern, Ludwigshafen und Frankreich, Bingen und Köln und nach Frankfurt entwickelte. Der Raum am Rheinufer, zwischen Fluss und Festung, war aber sehr begrenzt. Die Bahnanlagen ließen sich dort nicht erweitern. Bereits 1858 berichtete die Mainzer Zeitung über Pläne den Bahnhof zu verlegen.

Die Interessen der Stadtentwicklung, Ufererweiterung und -gestaltung sowie Bahnentwicklung erforderten ein hohes Maß an Koordination, um eine sinnvolle Perspektive zu schaffen. Stadtbaumeister Eduard Kreyßig, der 1865 der Nachfolger des verstorbenen Stadtbaumeisters Josef Laske wurde, schlug 1873 vor, den Bahnhof auf die Westseite der Stadt zu verlegen. Zutreffend stellte der unabhängige Mainzer Schriftsteller und Zeitungsrezensent Philipp Wasserburg, der 1877 und 1880 für die Volkspartei in die Stadtverordnetenversammlung gewählt werden sollte, 1874 fest, dass zwar die staatliche Festungserweiterung Fortschritte mache, die kommunale Stadtplanung aber nicht, weil der Stadt Mainz nur in ungenügendem Umfang Mittel zur Verfügung stünden.

Dort wo früher einmal nach dem Münstertor der Münsterschlag mit dem Hauptweg in das Gartenfeld stand, sollte ein Centralbahnhof die bisherigen Gleisanlagen zusammenführen. Die Finanzierung der Grundstückskäufe im Zusammenspiel von Stadterweiterung und Bahnhofsneubau wurde von der Mainzer Kaufmannsfamilie Lauteren organisiert, die ihrerseits finanziell bei der Ludwigsbahn beteiligt war. Die Stadt allein konnte nicht alle erforderlichen Flächen ankaufen. Etwa 50 % waren als Gelände für die allgemeine Bebauung vorgesehen und je 25 % für Straßen und Plätze sowie für die Bahnanlagen.

Um das Projekt am vorgesehenen Ort zu realisieren, mussten die Zufahrtsgleise in einem großen Bogen westlich um die Stadt geführt werden. Dazu war auch ein Tunnel unter der Zitadelle erforderlich. Er wurde 1876 begonnen. Eine sagenumwobene Institution der Mainzer, das Pankratiusbrünnchen, aus dem alle neugeborenen Mainzer stammen sollen, fiel dem Neubau zum Opfer. Es lag seitlich der heutigen Bahnunterführung zur Mombacher Straße hin.


Ausführung

Der Mainzer Architekt Philipp Johann Berdellé (1838–1903) schuf das Empfangsgebäude des neuen Hauptbahnhofes in hellem Flonheimer Sandstein in italienischer Neorenaissance mit barocken und klassizistischen Elementen. Ein markanter Mittelbau wird von zwei niedrigeren Seitenflügeln mit Arkaden eingerahmt, die wiederum in Risaliten enden. Das Gebäude wurde am 15. Oktober 1884 feierlich eröffnet.


Kunst am Bau

Berdellé setzte den Schwerpunkt der bildhaften Ausschmückungen auf den zentralen Eingangsbau. Allegorische Darstellungen verwiesen auf die Funktion des Gebäudes.

Auf beiden Seiten des Eingangs zeigen Reliefs, geschaffen von den Mainzer Bildhauern Valentin Barth und Anton Scholl, antik gewandete Putten in spielerischer Weise mit der Eisenbahn ankommen und abreisen:

Das Bild Abfahrt befindet sich am linken Hauptgebäudeteil: In der linken oberen Ecke kann man das Wort Billet erkennen. Es zeigt Szenen, die sich rund um das Thema Abfahrt und Abschied am Bahnhof drehen. Dazu gehört auch ein schwerer Koffer.

Das Bild Ankunft befindet sich am rechten Hauptgebäudeteil: Hier steigen die Putten wieder aus dem Zug aus und die freudige Ankunft ist zu erkennen. Der schwere Koffer wird weggetragen.

Die Bahnhofsuhr auf dem Dach wurde vom geflügelten Genius des Dampfes und der Elektrizität gekrönt. Des Weiteren befinden sich über den drei Haupteingangstüren Figuren.


Bahnhofsplatz

Die ursprüngliche Gestaltung des Bahnhofsplatzes dominierte ein Rondell. Dieses war mit Bäumen, Rasen und Blumen begrünt. Ringsherum verliefen die Schienen der Pferdebahn. Zahlreiche Droschken und Hotelomnibusse ergänzten das Beförderungsangebot.


Bahnhofshalle

Die gesamten bahntechnischen Anlagen wurden unter der Bauleitung des Geheimen Baurates J. Kramer erstellt.

Die Reisenden schützte die damals längste Bahnhofshalle Europas, die von der Süddeutschen Brückenbau-Actien-Gesellschaft, heute MAN, errichtet wurde. Sie hatte auch die Eisenbahnbrücke über den Rhein gebaut. Mit einer Länge von dreihundert Metern und einer Breite von 47 Metern überdachte die Konstruktion aus Guss- und Schmiedeeisen, Glas und Wellblech rund 14.000 Quadratmeter Fläche. Die Dachkonstruktion war in 29 Felder aufgeteilt und wurde von sechzig schmiedeeisernen Pfeilern gestützt. Die Stirnseiten waren mit Glasschürzen bis zur Einfahrtshöhe der Züge verschlossen. Der höchste Punkt des Daches war mit einem verglasten, seitlich offenen Aufsatz zum Abzug von Rauch und Dampf versehen. Weitere zwei Glasfelder unterbrachen die im Übrigen aus Wellblech bestehende Abdeckung.


Der erste Umbau

Die erste Halle versah bis 1935 ihren Dienst. Bei einem Brand des Dachstuhls des Empfangsgebäudes am 23. Dezember 1934 wurde sie in Mitleidenschaft gezogen. Im Empfangsgebäude fielen Speicher und Schlafräume des Personals der Bahnhofswirtschaft den Flammen zum Opfer. Trotz des geringen Schadens an der Halle entschied sich die Reichsbahndirektion Mainz im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsprogrammen, sie komplett zu ersetzen.

Die Außenfassade blieb im Wesentlichen unverändert, das Bahnhofsdach verlor allerdings seine Genius-Statue und die von Allegorien flankierte zentrale Uhr. Die Abschlusskuppeln der Eckrisalite überdauerten bis zum Kriegsende. Gepäck- und Schalterhalle wurden neu eingerichtet.

Die Bahnsteighalle wurde durch MAN 1939 neu gebaut. Sie war nur noch 140 m lang. Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie bei Luftangriffen auf Mainz erheblich beschädigt. Als Verkehrsknotenpunkt befand Mainz sich im Blickfeld der Militärstrategen. Immer wieder fielen Bomben auch auf den Bahnhof. Im Abstand weniger Tage flogen im September 1944 Verbände der RAF und der US Army Air Force Angriffe auf den Hauptbahnhof in Mainz. Der Bahnhof und sein Vorplatz wurden schwer beschädigt. Ämter-, Abfertigungsgebäude, Lagerhallen und die Weinhalle brannten komplett aus. 1.767 Meter Gleise, sechs Stellwerke und 198 Weichen wurden zerstört. Die Reichsbahndirektion registrierte 1945 einen Schaden von rund 180 Millionen Mark. Trotz allem wurde der Zugverkehr mit kurzen Unterbrechungen aufrechterhalten.


Der zweite Umbau

Mit Erlaubnis der amerikanischen und französischen Besatzer wurde der Verkehr auf einzelnen Strecken wieder aufgenommen und noch 1945 begann der Wiederaufbau. 1947 begann auch die Wiederherstellung des Bahnhofsplatzes und des Empfangsgebäudes. Außenmauern und die Grundkonzeption wurden beibehalten, der Grundriss verbessert.

Der Hauptbahnhof wurde in der Folgezeit vergrößert, modernisiert und dem technischen Fortschritt angepasst. Das Bahnbetriebswerk Mainz war als eines der ersten „dampffrei“, als 1959 die letzte Dampflok den Mainzer Lokschuppen verließ. Vorangegangen war die Elektrifizierung des Bahnhofs.

Wahrzeichen des Bahnhofs war nun das große Kupferberg-Fenster in der Schürze der Gleishalle und das Fenster von Blendax-Zahnpasta.


Der dritte Umbau

In den Neunziger Jahren wurde ein vierter schmaler Durchgangsbahnsteig für den Regionalverkehr gebaut. Dazu wurden die beiden Unterführungen aufwändig verlängert.

Bis Ende 2003 wurde der Bahnhof für rund 114 Millionen Mark (rund 58 Millionen Euro) in fünfjähriger Bauzeit aufwendig umgebaut. Dabei wurde die große gusseiserne Bahnhofshalle von 1939 komplett abgerissen.

Die Renovierung der Hauptfassade des historischen Empfangsgebäudes führte zur annähernden Wiederherstellung des alten Erscheinungsbildes. Allerdings fehlen die Dachtürme. Innen wurde alles neu gestaltet. Die Bahnsteigzugänge (Gleis 2 bis 8) führen nun über einen breiten Hochsteg mit seitlichen Ladengalerien, der über Treppen, Rolltreppen und Aufzüge aus der Empfangshalle und von den Bahnsteigen barrierefrei erreicht wird. Er überspannt 4 Bahnsteige (Fläche der Bahnsteige 16.906 m²) und 7 Gleise. Drei weitere Stumpfgleise sind rechts von Bahnsteig 1 aus zugänglich, davon wird nur Gleis 11 genutzt. Die Fläche für Geschäfte und Restaurants wurde auf 3.800 m² ausgedehnt. Die beiden unterirdischen Unterführungen und Bahnsteigzugänge dienen nur noch als Fluchtwege. Vier innenliegende Treppen wurden zugemauert. Der Mittelteil des Bahnhofes vermittelt den Eindruck eines U-Bahnhofes.

Im Zuge der Neugestaltung wurde auf der Süd-Westseite des Bahnhofs ein neuer Zugang geschaffen, der vor allem die Anfahrt von privaten PKW erlaubt. Am Bahnhof stehen 2.138 Parkplätze für den Individualverkehr (Park-and-ride / Park-and-rail) zur Verfügung. Der Bahnhofsplatz wurde komplett umgestaltet und ist nun dem ÖPNV und Taxis vorbehalten.

Um brandschutzrechtlichen Auflagen nachzukommen, wurde die Decke in der Empfangshalle durchbrochen, sodass Rauch – zusätzlich abgesaugt durch Ventilatoren – abziehen kann. Im Keller befindet sich ein Löschwasser-Vorratsbehälter mit 170 Kubikmetern Nutzinhalt. Dieser wird durch reichlich vorhandenes Grundwasser, das vom Hartenberg und Taubertsberg kommt und Richtung Rhein strömt, gespeist.

2003 zählte der Bahnhof der Landeshauptstadt nach Angaben der Deutschen Bahn zu den modernsten in der Bundesrepublik.


Mainzer Tunnel

Der Tunnel zwischen Hauptbahnhof und Bahnhof Mainz Süd, heute Bahnhof Mainz Römisches Theater, schließt unmittelbar an den Südkopf des Hauptbahnhofs an. Er wurde Mitte der 1920er Jahre im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen teilweise „geschlitzt“, also zur Oberfläche hin geöffnet, wodurch zwei Tunnel entstanden. Bis 2010 war nur der westliche Tunnel in Betrieb. Der Bau der zweiten Röhre begann zwar ebenfalls bereits im 19. Jahrhundert, doch aufgrund jahrzehntelanger Arbeitspausen konnte der Tunnel nach fast 120 Jahren erst 2010 in Betrieb genommen werden.

Größter Umbau im Bereich des Mainzer Hauptbahnhofs in den letzten Jahren ist der Bau einer zweiten zweigleisigen Tunnelröhre auf der Strecke vom Bahnhof Römisches Theater unter dem Kästrich. Die beiden alten Tunnel zum Bahnhof Römisches Theater sind aufgebohrt und neu verschalt worden. Seit 31. August 2010 fahren die Züge wieder durch die alten Tunnel. Die Gleisanlagen vor den Tunnelportalen (mit Rückbau der Bauweichen und Einbau der endgültigen Weichen auf der Hauptbahnhofseite) werden allerdings erst im Januar 2011 fertiggestellt sein.


Nordkopf

Um die Leistungsfähigkeit des Eisenbahnknotens Mainz zu erhöhen, wurde im August 2010 mit den Vorarbeiten für den Bau eines 600 Meter langen Überwerfungsbauwerks des Gleises von Wiesbaden über die Linke Rheinstrecke am Mainzer Nordkopf begonnen. Am Nordkopf, der den südlichen Teil des Gleisdreiecks Mainz bildet, laufen die Strecken aus Wiesbaden, Bingen/Bad Kreuznach und Alzey zum Hauptbahnhof zusammen. Der Nordkopf liegt an der Schnittstelle der Mainzer Stadtteile Neustadt, Mombach, Gonsenheim und Hartenberg-Münchfeld. Dieser Schienenknotenpunkt wird an Werktagen von über 240 Zügen frequentiert. Nach Abschluss der Baumaßnahme, die voraussichtlich im Jahre 2015 beendet sein wird, können die Züge aus Richtung Wiesbaden kreuzungsfrei, d. h. ohne niveaugleiche Kreuzung der Linken Rheinstrecke in den Mainzer Hauptbahnhof einfahren. Die Arbeiten sollten bereits im Jahre 2004 begonnen werden, mussten aber wegen fehlender Bundesmittel aus der Lkw-Maut, die wegen technischer Probleme nicht am 31. August 2003 in Betrieb gehen konnte, abgesagt werden. Aufgrund des Konjunkturpaketes der Deutschen Bundesregierung wird die Maßnahme realisiert. Im Jahr 2010 wurden konkrete Ausschreibungen vorgenommen. Für den Ausbau wurden nach Aussagen eines Bahnsprechers Bundesmittel in Höhe von 48 Millionen Euro bewilligt.

Außerdem sollen bis 2013 weite Flächen des Mainzer Güterbahnhofs an der Mombacher Straße freigeräumt und verkauft werden.



Text: Wikipedia

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