Max von Pettenkofer

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Max Josef Pettenkofer, seit 1883 von Pettenkofer (* 3. Dezember 1818 in Lichtenheim bei Neuburg an der Donau; † 10. Februar 1901 in München), war ein bayerischer Chemiker. Er gründete das posthum nach ihm benannte Hygieneinstitut und gilt als erster Hygieniker Deutschlands.

Reklamemarken

Verzeichnis der sortierten Reklamemarken mit einem Bezug zu Max von Pettenkofer.

Leben

Pettenkofer kam auf dem Einödhof Lichtenheim bei Lichtenau am Nordrand des Altbayerischen Donaumoos als fünftes von acht Kindern des Bauern Johann Baptist Pettenkofer (1786–1844) und seiner Ehefrau Barbara Pettenkofer (1786–1837) zur Welt.[2][3] Die familiären Verhältnisse waren sehr ärmlich. Zum Schulbesuch wurde er nach München in die Obhut seines Onkels Franz Xaver Pettenkofer, der königlich bayerischer Hof- und Leibapotheker war, gegeben. 1837 bestand Max Pettenkofer die Reifeprüfung am (heutigen) Wilhelmsgymnasium München.[4] Er begann ein Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität München in Naturwissenschaft, Pharmazie und ab 1841 auch in Medizin sowie Chemie. Sein Onkel war es auch, bei dem Max ab 1839 eine Apothekerlehre machte. Danach setzte er 1841 das Studium fort und schloss es 1843 mit der Promotion zum Doktor der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe ab. Gleichzeitig erwarb er die Approbation als Apotheker. Seine erste Veröffentlichung kam 1842 heraus. Darin beschrieb er ein Verfahren zum Nachweis von Arsen sowie zur Trennung von Arsen und Antimon. Danach beschäftigte er sich an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg mit Chemie und wechselte dann an die Hessische Ludwigs-Universität ins Labor von Justus von Liebig.

Im Juni 1845 heiratete er seine Cousine Helene (1819–1890).[2] Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen drei vorzeitig starben.[5] Eine eigenständige Entwicklung nahmen Maximilian Pettenkofer (1853–1881) und die Tochter Anna verh. Riediger (1838–1882).

Da Max Pettenkofer nach dem Studienabschluss in Gießen keine Anstellung fand, kehrte er nach München zurück und widmete sich hier zunächst der Dichtkunst. Das Ergebnis waren die „Chemischen Sonette“, die 1890 in gedruckter Form erschienen. Im Jahr 1845 nahm er eine Tätigkeit am Bayerischen Hauptmünzamt an. Er befasste sich hier mit Verfahren zur verfeinerten Gewinnung von Gold, Silber und Platin bei der Ummünzung des Kronentalers. 1847 wurde er zum a.o. Professor für Pathologisch-chemische Untersuchungen an die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) berufen. Seine Vorlesungen aus dieser Zeit trugen die Titel „Diätisch-physiologische Chemie“ und „Öffentliche Gesundheitspflege“. Wichtige Erfindungen aus dieser Zeit waren 1849 seine erarbeiteten Vorschläge für eine verbesserte Methode zur Herstellung von Zement.[6] Ein Jahr zuvor hatte er die Kupfer-Amalgam-Zahnfüllung erfunden. Als sein Onkel 1850 starb, übernahm er zusätzlich noch die Leitung der Hofapotheke. Hier wurde erfolgreich „Liebig's Fleischextrakt“ hergestellt und verkauft. 1852 konnte er Maximilian II. Joseph (Bayern) dazu bewegen, Justus von Liebig nach München zu berufen. Im selben Jahr wurde Pettenkofer o. Professor. Im Jahre 1862 beteiligte er sich an einem sehr erfolgreichen Unternehmen. Es importierte Fleischextrakt aus Uruguay unter der Bezeichnung „Liebigs Extract of Meat Companie“ mit Geschäftssitz in London. In den Jahren 1864/65 übte er das Amt des Rektors der Universität München aus. Im gleichen Jahr wurde er in München erster deutscher Professor für Hygiene sowie erster Lehrstuhlinhaber dieses Faches;[1] von 1876 bis 1879 wurde das erste Hygieneinstitut gebaut.

Max Pettenkofer trug Ludwig II. (Bayern) bei einer Privataudienz 1865 seine Vorstellungen zur Gesunderhaltung der Menschen und städtischen Hygiene vor. Ludwig bewirkte daraufhin eine Ministerialentschließung, mit der das Wissenschaftsfach „Hygiene“ am 16. September 1865 zum Nominalfach ernannt wurde.[7] In den Folgejahren kämpfte er um die hygienische Sanierung der Stadt München. Bis 1883 erreichte er es, dass eine vorbildliche Trinkwasserversorgung und ein leistungsfähiges Abwassersystem (Schwemmkanalisation) eingerichtet wurden, was wesentlich verbesserte Lebensbedingungen in die Stadt brachte. 1882 erhob Bayerns König Max Pettenkofer in den Erbadel.

Von 1890 bis 1899 war er Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Ende 1893 emeritiert, gab er 1896 auch seine Tätigkeit an der Hofapotheke auf. Gegen Ende seines Lebens geriet er aber zunehmend ins wissenschaftliche Abseits, weil er in der Choleraforschung die bakteriologischen Erkenntnisse Robert Kochs nicht anerkennen wollte.[8] Zwar hatte er bereits 1869 die These aufgestellt, dass Cholera und Typhus durch spezifische Mikroorganismen und schlechte Umweltbedingungen hervorgerufen werden, aber ein Nachweis gelang ihm nicht. Als Robert Koch (1843–1910) in Vibrio cholerae 1892 den Erreger der Cholera gefunden hatte, nahm Pettenkofer in einem Selbstversuch eine Vibrionen-Kultur zu sich, ohne daran allzu schwer zu erkranken. Damit wollte er beweisen, dass diese Bakterien allein nicht ausreichen, um die Erkrankung auszulösen.

Geplagt von zunehmenden Schmerzen und starken Depressionen, erschoss sich Max von Pettenkofer im Alter von 82 Jahren in seiner Hofapotheker-Wohnung in der Münchner Residenz.[9] Die Obduktion ergab eine chronische Meningitis und Zerebralsklerose.

Grabstätte und Nachlass

Seine Grabstätte befindet sich auf dem Alten Südlichen Friedhof in München (Gräberfeld 31 – Reihe 1 – Platz 33/34) (♁Standort).

Sein Nachlass wird in der Bayerischen Staatsbibliothek aufbewahrt und wissenschaftlich gepflegt.[10]

Leistungen

Das von Pettenkofer gegründete und später nach ihm benannte Max-von-Pettenkofer-Institut der LMU München

Pettenkofers anerkanntestes Arbeitsgebiet war die von ihm selbst definierte und mit Inhalt gefüllte Wissenschaft der Hygiene. Er setzte die Hygiene als eigenständigen Bereich der Medizin durch und erkannte zudem damit verbundene wirtschaftliche Aspekte. Daher sprach er auch Verwaltung und Ingenieure an und entwickelte eine Gesundheitstechnik, die zum Beispiel bei der Sanierung Münchens zum Einsatz kam. München verdankt Pettenkofer seine Kanalisation[11] und eine zentrale Trinkwasserversorgung. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts galt München als eine der saubersten Städte Europas.

Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn waren Chemie und Physiologie die bevorzugten Arbeitsgebiete. Eine der bedeutendsten Leistungen Pettenkofers ist die Entdeckung von periodisch auftretenden Eigenschaften bei chemischen Elementen (1850). Er schuf damit eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung des Periodensystems der Elemente (nach Mendelejews eigenen Angaben war die Arbeit von Einfluss auf ihn).[12] Er ging über die damals schon verbreitete Triaden-Einteilung von Johann Wolfgang Döbereiner hinaus und entdeckte schon Regelmäßigkeiten mit Perioden 8 und 16 (in anderen Gruppen von 5). Mangels Unterstützung durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften konnte er seine Forschungen aber nicht weiter fortsetzen. Bei Justus von Liebig entwickelte er den Gallensäurenachweis und arbeitete am Königlichen Hauptmünzamt, wo er verbesserte Methoden zur Edelmetallschmelze und Münzherstellung (1848–1849) anwandte. 1844 entdeckte Pettenkofer das Kreatinin, ein wichtiges Stoffwechselprodukt des Muskelgewebes. Er beschrieb 1857 die Herstellung von Leuchtgas aus Holz (Holzgas) für die Städte Basel und München (1851) und untersuchte (um 1860 und später am Hygieneinstitut) zusammen mit dem Physiologen Carl Voit (1831–1908) Stoffwechselbilanzen. Daraus entwickelten die beiden Forscher die Theorie vom Aufbau aller Lebewesen aus vor allem drei zur Ernährung notwendigen organischen Verbindungen: Eiweißkörper, Fette und Kohlenhydrate.[13] Bis heute werden Beatmungsapparate nach dem „Pettenkofer-Prinzip“ gebaut. Der von Justus von Liebig und Pettenkofer entwickelte Fleischextrakt („Suppenwürfel“ nach Liebig) wurde in industriellem Maßstab mit südamerikanischem Rindfleisch hergestellt.

Mit Carl Voit, dem Pathologen Ludwig Buhl und dem Botaniker Ludwig Radlkofer gab er ab 1865 die Zeitschrift für Biologie heraus.[1] Diese begleitete Pettenkofer 18 Jahre lang als Herausgeber.

Später widmete sich Pettenkofer der Epidemiologie. Im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten haben diese Untersuchungen nur noch historischen Wert. Pettenkofer glaubte nicht, dass die Cholera, die 1854 auch in München ausbrach, allein von einem Erreger ausgelöst werde, sondern maß der Boden- und Grundwasserbeschaffenheit die Hauptbedeutung zu (Untersuchungen und Beobachtungen über die Verbreitung der Cholera, 1855). Diese Ansicht vertrat er jahrzehntelang, u. a. auf wissenschaftlichen „Cholera-Konferenzen“ wie beispielsweise der im Jahr 1867 in Weimar, und er hielt auch nach Robert Kochs Entdeckung des Erregers im Jahre 1884 daran fest.[14] Im Zusammenhang mit dem berühmten Zwiestreit mit Robert Koch über die Ursache der Cholera schluckte Pettenkofer am 7. Oktober 1892[15] sogar eine Kultur von Cholera-Bakterien. Er kam mit einer leichten Diarrhöe davon, möglicherweise, weil er durch seine Erkrankung im Juli 1854 noch resistent gegen den Erreger war.[2] Pettenkofer vertrat die Ansicht, die Umweltbedingungen seien von erheblich größerer Bedeutung für die Entstehung einer Krankheit als die bloße Anwesenheit von Krankheitserregern. Er und einige seiner Schüler, die den Versuch wiederholten, erkrankten nicht oder nur leicht, wodurch sich Pettenkofer bestätigt sah. Allerdings irrte er insoweit, als er ein bestimmtes „contagiöses Element Y“ (Miasma) annahm, das – gleich einer chemischen Reaktion – die Entstehung einer Krankheit erst ermöglichte.[16] Die heute in der Epidemiologie übliche Ortsbesichtigung und ausgiebige statistische Erfassung und Auswertung des Seuchengeschehens wurde von Pettenkofer und seinen Schülern eingeführt.

Bezüglich seuchenhygienischer Maßnahmen gegen die Cholera sprach sich Pettenkofer entschieden gegen die sinnlose Einschränkung des öffentlichen Lebens für den Fall aus, dass die Epidemie bereits landesweite Ausmaße angenommen hat. „Der freie Verkehr ist ein so großes Gut, dass wir es nicht entbehren könnten, selbst um den Preis nicht, dass wir von Cholera und noch vielen anderen Krankheiten verschont blieben.“[17]

Pettenkofer arbeitete streng naturwissenschaftlich-experimentell und gilt als Begründer der experimentellen Hygiene („Konditionalhygiene“).[1] Auch seine Untersuchungen zu Kleidung, Heizung, Lüftung, Kanalisation und Wasserversorgung trugen experimentelle Züge. Wie sein Lehrer v. Liebig war Pettenkofer ein Positivist, das heißt, er erkannte ausschließlich sichtbare, zum Beispiel in Experimenten gewonnene Tatsachen als Erkenntnisquelle an.

Pettenkofer unterlief ein Irrtum, der bis heute nachwirkt, indem viele Menschen glauben, es gebe eine „Atmende Wand“: Er stellte bei frühen Luftwechsel-Messungen in einem Zimmer fest, dass sich nach dem vermeintlichen Abdichten sämtlicher Fugen die Luftwechselrate weniger als erwartet verminderte. Daraus schlussfolgerte er einen erheblichen Luftaustausch durch die Ziegelwände hindurch. Vermutlich kam er nicht darauf, den Kamin eines im Raum befindlichen Ofens abzudichten. Luftaustausch durch die Zimmerwände hindurch sei, so Pettenkofer, ein wesentlicher Beitrag zur Reinigung der Raumluft.

Pettenkofer veröffentlichte insgesamt mehr als 20 Monographien und 200 Originalartikel in wissenschaftlichen und medizinischen Zeitschriften. Seine Verdienste als Begründer der Hygiene, Wegbereiter der Umweltmedizin, experimenteller Feldforscher, Chemiker und Ernährungsphysiologe waren und sind weltweit anerkannt. Die medizinische Chemie verdankt ihm zudem brauchbare Nachweismethoden für Arsen (Marshsche Probe[18]), Zucker und Harnbestandteile. Für seine wissenschaftlichen Leistungen wurde er am 24. Januar 1900 in den preußischen Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste aufgenommen.[19]

Nach Pettenkofer ist der traditionelle hygienische Innenraumluftwert für CO2 benannt – die Pettenkofer-Zahl. Ihren Grenzwert gab Pettenkofer mit 0,10 % an.



Text: Wikipedia

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