Wellner

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Die Firma Wellner war ein Großproduzent von Bestecken und metallenem Tafelgeschirr, sie hatte zwischen 1854 und 1958 ihren Hauptsitz in Aue in Sachsen. Von 1958 bis 1992 wurde dort unter dem Namen Auer Besteck- und Silberwarenwerke (ABS) die Erzeugnispalette weiter produziert und teilweise ausgebaut. Seit zirka 1993 gibt es eine Nachfolgefirma, die in einer neuen Manufaktur seit 2001 im Nachbarort Schneeberg Teile des bisherigen Sortiments mit kleiner Belegschaft auf Originalmaschinen weiter produziert.

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Unternehmensgeschichte

Von der Gründung 1854 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs

Das Unternehmen wurde 1854 in Aue von Christian Gottlieb Wellner in vorhandenen Gebäuden des Auerhammers als Argentanfabrik gegründet. Stetige Erweiterungen der Produktionsanlagen und der Belegschaft führten zu einer florierenden Firma, die metallene Haushaltsartikel wie Löffel aus Argentan herstellte, aber auch Pfeifendeckel. Der Sohn und spätere Hauptunternehmer Carl August Wellner führte das Unternehmen ab 1858 erfolgreich weiter und schuf Zweigniederlassungen und Vertretungen sogar in anderen europäischen Ländern. Im Jahr 1892 übergab Carl August seinen Kindern die Leitung des Unternehmens, aus der letztendlich drei eigene Fabriken wurden. Am 23. September 1913 wurde die Privatfabrik in eine AG umgewandelt. Der zweite Sohn von Christian Wellner, Gottlieb Wellner, gründete in Aue die Besteckfabrik, die mit eigenen Neusilberprodukten unter GOWE auf den Markt kam. Schließlich ist auch die Besteckfabrik C. F. Hutschenreuter ein Ergebnis der Firmenaufspaltung, Hutschenreuter war der Schwiegersohn von Christian Wellner.[2] Hutschenreuter stellte auch weitere Produkte für die Tafel her wie etwa Kerzenleuchter.[3]

In den Jahren des Ersten Weltkrieges fehlten dem Unternehmen zahlreiche männliche Arbeitskräfte, was zu einer vermehrten Einstellung von Frauen führte, die Industriearbeiterin entstand auch hier. Außerdem wurde von Staats wegen die Herstellung sogenannter kriegswichtiger Erzeugnisse wie Hülsen für Gewehrmunition und Granaten gefördert, die bisherige Erzeugnispalette musste verringert werden.

Von 1918 bis zur Enteignung 1946

Nach dem Ende des Krieges wurde die Produktion von Bestecken und Tafelgeschirr vermehrt wieder aufgenommen. Sogenannte Halbzeuge und Halbfabrikate wie Blechtafeln, Drähte, Stangen und Stäbe kamen neu hinzu. Die Fabrik konnte sich immer mehr vergrößern und auf dem Weltmarkt etablieren. Bis in die Mitte der 1920er Jahre waren schließlich 36 Schmelzöfen, sechs Walzstraßen, viele Drahtziehanlagen, Pressen, Stanzen und Kleinmaschinen im Einsatz. Innerbetrieblich wurden neue Abteilungen wie Schnitt- und Stanzenbau, Schriftstempelfabrikation, Tischlerei, Bauabteilung, Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt, Eisengießerei und Dampfhammerwerk für eine eigene Maschinenbauanstalt gebildet. Etwa 6.000 Personen erzeugten 300.000 Tonnen Neusilber, von dem die Hälfte im eigenen Werk zu Endprodukten weiterverarbeitet wurde. Bestecke aus erstmals produziertem rostfreien Edelstahl kamen auch in das Sortiment. In den Zeiten der Weltwirtschaftskrise bis etwa noch 1932 ging der Absatz von Bestecken stark zurück und nur die Finanzhilfe von Großbanken konnte den Konkurs der Fabrik abwenden.[4]

Ab 1934 verbot eine neue Reichsverordnung den Export von Neusilber-Erzeugnissen, was zu einer Produktionsverringerung führte. Einschneidende Änderungen traten durch den Zweiten Weltkrieg ein. Diesmal mussten Produktionsstrecken so verändert werden, dass darauf Hülsen für Flak-Geschosse entstehen konnten. Außerdem kamen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene zum Einsatz.[4] Der Firmenname lautete bis zum 1. November 1941 Sächsische Metallwarenfabrik August Wellner Söhne AG, danach August Wellner Söhne AG.

Aufteilung und Wiederaufnahme der Produktion als Volkseigener Betrieb

Nach den Enteignungen 1946 und dem Abbau der großen Produktionsanlagen als Reparationszahlungen an die Sowjetunion konnte ab den 1950er Jahren wieder mit der Produktion von Tafelbestecken begonnen werden. Der Firmenmantel von Wellner wurde 1950 nach Frankfurt am Main verlagert und dort ab 1958 als GmbH weitergeführt. Die Enteignung der Fabrikbesitzerfamilie 1946 führte auch zum Übergang der insgesamt 16 Immobilien in den Besitz der Stadt Aue. Die Fabrik in Aue erhielt den Namen Auer Besteck- und Silberwarenwerke (ABS) und wurde als DDR-Schwerpunktbetrieb ausgebaut. Um 1970 erzeugten rund 900 Menschen metallenes Tafelgeschirr, das auch wieder erfolgreich exportiert wurde.

Wellner ab 1990

Nach der Wende 1990 erhielten die in der alten Bundesrepublik lebenden Firmenerben (Familie Hillebrand)[2] das Betriebsgelände zurück und ließen einige baufällige Gebäudeteile entfernen. Die Besteckherstellung am Standort Aue wurde nach einigem Missmanagement jedoch 1995 aufgegeben. Weil es keine Käufer für den riesigen Komplex gab und auch kein weiteres Geld in die Gebäude gesteckt werden sollte, blieb es bei notdürftigen Sicherungsarbeiten im Auftrag der Stadtverwaltung Aue.

Infolge der Produktionsaufgabe am Standort Aue beanspruchen zwei neu gegründete Firmen einen Teil des Namens für ihr Unternehmen, da sie auch Besteck beziehungsweise Tafelgeschirr produzieren – und zwar Wellner/ABS GmbH in Schneeberg[5] und Wellner Silber GmbH mit Sitz in Aue.[6] Als geistiger Nachfolger in der Tradition der Wellner-Werke und der Auer Besteck- und Silberwarenwerke produziert einzig die Firma Wellner/ABS GmbH die altbekannten Wellner-Dekors wie Mozart und die Gesamtpalette der früheren ABS- und Porzellanbestecke. Die Bedeutung der Marke Wellner in der Gegenwart lässt sich an der Vielfalt der Fälschungen erkennen, die sich nach wie vor neben den Premium-Tafelbestecken am Markt befinden.[7]

Sortiment und Marktstellung

Das Hauptsortiment umfasste Haushalts- und Hotelwaren aus Metall wie Silber, Neusilber oder Edelstahl, unter anderem Kochgeschirr, Küchen- und Tafelgeräte sowie Essbestecke.

Auf dem Produktionshöhepunkt um 1930 wurden in der Sächsischen Metallwarenfabrik August Wellner Söhne rund 4000 bis 5000 Dutzend Bestecke sowie anderes metallenes Tafelgeschirr hergestellt.[17] Innerhalb eines Jahres verarbeitete Wellner rund 10.000 kg Feinsilber.

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die Firma in 47 Ländern Europas, Mittelamerikas und Afrikas Niederlassungen und Auslandsvertretungen errichtet, sie machte große Gewinne. Auch in anderen Städten Deutschlands wie Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, Hamburg und Leipzig gab es „Wellnerläden“, in denen die Kunden die Tafel-Produkte erwerben konnten.[18][2]

Zu den Kunden von Wellner zählten einst sowohl Luxushotels wie das Baur au Lac in Zürich, Hotel Kempinski in Berlin oder das Maloja Palace Hotel in St. Moritz. Aber auch Luxusdampfer wie die Titanic (UK) und der Hapag-Liner Imperator (Deutschland) verwendeten Wellner Besteck in ihren Restaurants.[19][20]


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