Zuckerfabrik Anklam

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Firmenschild der DDR-Zuckerfabrik

Die Zuckerfabrik Anklam ist seit 2007 die einzige Zuckerfabrik in Mecklenburg-Vorpommern und befindet sich in Anklam im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Das zur niederländischen Suiker Unie gehörende Unternehmen verarbeitet Zuckerrüben zu Zucker, Bioethanol und Tierfutter. Mit 135 Beschäftigten wurden im Geschäftsjahr 2008 rund 1,1 Millionen Tonnen Zuckerrüben verarbeitet und ein Umsatz von circa 120 Millionen Euro erwirtschaftet.


Die Entwicklung

Am 31. Januar 1883 wurde die Aktiengesellschaft Pommersche Zuckerfabrik Anklam gegründet. Die Zuckerrüben wurden per Schiff über einen eigens angelegten Stichkanal von der Peene sowie über einen werkseigenen Bahnanschluss angeliefert.

Der Ausbau der Fabrik erfolgte in der Vergangenheit in mehreren Etappen. Durch starke Beschädigung gegen Ende des Zweiten Weltkrieges konnte zwei Jahre keine Produktion durchgeführt werden. In dieser Zeit erfolgte der Wiederaufbau, die Umwandlung in einen Volkseigenen Betrieb und 1948 bis 1949 der Umbau zur Weißzuckerfabrik.

1991 wurde der VEB privatisiert und an den dänischen Lebensmittelkonzern Danisco verkauft, der sie am 1. Mai 1991 von der Treuhandanstalt zusammen mit sieben weiteren Zuckerfabriken in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg übernahm. Es erfolgten umfangreiche Modernisierungen und Erweiterungen. Für den Ausbau der Zuckerfabrik Anklam wurden von Danisco in den Jahren 1992 und 1994 etwa 180 Millionen Euro investiert. Sie ist eine der modernsten Zuckerfabriken Europas geworden. Die Zuckerfabriken Barth, Demmin, Friedland, Jarmen, Prenzlau, Stralsund und Tessin wurden geschlossen.

2007 war die Grundsteinlegung für ein Bioethanolwerk der ABE, das 2008 die Bioethanolherstellung mit einer Kapazität von 56 Millionen Litern aufnahm. Die Investition hierfür betrug knapp 25 Mio. Euro. Seither verfügt die Zuckerfabrik mit der Erzeugung erneuerbarer Energie über ein zweites Standbein. Hinzu kommt ab 2012 die Erzeugung von Biogas. Die vorgesehene Investition beläuft sich auf 16 Mio. Euro.

Als Danisco 2008 seine Zuckersparte an Nordzucker verkaufte, wurde vom Bundeskartellamt die Auflage erteilt, zuvor die Zuckerfabrik Anklam an einen anderen Erwerber zu verkaufen. Infolge kam es Anfang 2009 zum Verkauf an die Suiker Unie, ein Tochterunternehmen der Royal Cosun.

Seit dem 2. März 2009 ist die Zuckerfabrik Anklam und das Tochterunternehmen Anklam Bioethanol GmbH (ABE) ein Teil des niederländischen Konzerns Royal Cosun UA. Zu den unter dem Namen Suiker Unie zusammengefassten Aktivitäten gehören u.a. auch zwei Zuckerfabriken in den Niederlanden.

Im Sommer 2013 nahm die Zuckerfabrik eine neue Anlage zur Herstellung von Bio-Methangas aus Rübenpressschnitzeln in Betrieb, die für eine Zuckerfabrik bislang deutschlandweit einmalig ist.


Die Zuckerrüben

Die Fabrik erhält Rüben aus einem Anbaugebiet, das sich von der polnischen Grenze im Osten bis Höhe Rostock im Westen, und von der Insel Rügen im Norden bis in die Uckermark im Süden erstreckt. Die Rübenanbaufläche beträgt ca. 22.000 Hektar. Der Zuckerertrag wurde seit 1991 um 80 % gesteigert.

Basis für den Anbauerfolg ist die Aussaat. Das Saatgut wird von verschiedenen Zuckerrübenzüchtern bezogen und stammt ausschließlich aus konventioneller Züchtung. Grundlage für die Sortenwahl sind die Ergebnisse von Sortenversuchen, die bundesweit durchgeführt werden.

Die Zuckerfabrik Anklam hat von der EU eine Zuckerquote von knapp 112.000 Tonnen Weißzucker zugeteilt bekommen. Dies entspricht ca. 4 % der gesamten deutschen Zuckerquote.

Auf der Grundlage der Zuckerquote und der bisher angebauten Rübenmenge in den einzelnen Anbaugebieten wurden mit etwa 400 Landwirtschaftsbetrieben mehrjährige Verträge über den Anbau einer festgelegten Rübenmenge für die Zuckerproduktion abgeschlossen. Mehr als zwei Drittel der Anbauer erzeugten gleichzeitig Rüben als Rohstoff für die Herstellung von Bioethanol.

Die Anbauregeln sind in einer Vereinbarung mit dem Anklamer Anbauerverband für Zuckerrüben (AVZ e.V.) festgeschrieben. Der AVZ ist Ansprechpartner der Fabrik in allen Vertrags- und Anbaufragen.

Der Vertragsanbau umfasst insgesamt eine Liefermenge von etwa 1,3 Mill. Tonnen Rüben. Diese Rübenmenge umfasst zur Hälfte die Quotenrüben für die Erzeugung von Nahrungszucker. Die zweite Hälfte sind Ethanolrüben zur Herstellung von Dicksaft für die Produktion von Biokraftstoff im Ethanolwerk der ABE. Während der Preis für diese Rüben grundsätzlich an den Marktpreis für Bioethanol zur CO2-Minderung von Kraftstoff gekoppelt ist, besteht im Rahmen der EU-Zuckermarktordnung eine Preisgarantie für Quotenrüben.

Zuckerrüben werden auf etwa 6 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Einzugsgebiet der Fabrik angebaut und leisten damit einen wertvollen Beitrag für eine vielfältige Fruchtfolge. Der Rübenanbau ist zu 100 % gemäß Biokraftstoff-NachhaltigkeitsVO zertifiziert.

Die Zuckerrübenernte dauert von September bis November. Die Verarbeitung beginnt zeitgleich und geht bis in den Januar des folgenden Jahres. Diese ungefähr 120 Tage dauernde Periode nennt man Rübenkampagne.

Alle Rüben werden von vertraglich gebundenen Speditionsgesellschaften transportiert, die für den Lebens- und Futtermitteltransport zertifiziert sind. Die Anlieferung erfolgt kontinuierlich von Montag 6 Uhr bis Samstag 14 Uhr. Transportiert wird mit normalen LKW, die ein Ladegewicht von etwa 27 Tonnen besitzen. Dadurch, und durch einen hohen Anteil an Rückfrachten aus der Fabrik an die Landwirtschaft, wird das Fahrzeugaufkommen minimiert.

Von allen Rübenanbauern, die an die Fabrik liefern, wird vom LKW vor dem Abkippen auf dem Rübenhof mit einem automatischen Probenehmer ein Qualitätsmuster gezogen, das auf Beimengungen wie Erde, Steine und Kraut, sowie Zuckergehalt und andere wertbestimmende Inhaltsstoffe analysiert wird. Die Ergebnisse fließen in die Bezahlung der Rüben ein.

Um anhaftende Erde und andere Beimengungen bei den angelieferten Rüben möglichst zu begrenzen, sind moderne Rübenverladegeräte im Einsatz, die alle Rüben auf dem Acker vorreinigen.

Die Rüben gelangen sofort nach der Anlieferung zur Verarbeitung. Hierzu werden sie nach der Entladung auf dem Rübenhof mittels großer Radlader und über Förderbänder zunächst zur Rübenaufbereitung in die Rübenwäsche transportiert, bevor die eigentliche Verarbeitung beginnt.


Die Fabrik

Die Rübenverarbeitung erfolgt in mehreren Produktionsschritten im kontinuierlichen Verfahren. Der erste Abschnitt Rübenaufbereitung liegt außerhalb der eigentlichen Fabrik. Dabei wird hauptsächlich durch Waschen mit Wasser, unterstützt durch verschiedene technische Einrichtungen, eine Trennung der Rüben von Erde, Steinen, Kraut und sonstigen Beimengungen vorgenommen. Im Produktionsabschnitt Extraktion werden die frischen Rüben in dünne Scheiben geschnitten. Die „Schnitzel“ gelangen in sogenannte Extrakteuere, dort werden mit Wasser bei einer Temperatur von 72 °C die Zellwände aufgeschlossen. Durch Diffusion tritt der Zuckerrüben-Rohsaft aus.

Im dritten Abschnitt erfolgt die Reinigung des gewonnenen Saftes mittels Kalk, der in Form von Kalkmilch dem Zuckersaft zur Reinigung zugesetzt wird. Hierfür wird direkt in der Fabrik ein Kalkofen zum Brennen von Kalksteinen betrieben.

Der Kalkofen, ein 350 m³ großer Schachtofen zum Brennen von etwa 250 Tonnen Kalk/Tag, ist das Wahrzeichen der Zuckerfabrik. Der in der Saftreinigung anfallende Carbokalk ist ein in der Landwirtschaft benutzter Kalkdünger.

Durch anschließende Verdampfung des Wassers entsteht Zuckersirup, von den Zuckerkochern Dicksaft genannt. Der letzte Abschnitt ist das Zuckerhaus. Dort entsteht durch gesteuerte Kristallisation zunächst eine Mischung aus reinen Zuckerkristallen und sog. Muttersirup. Die Kristallsuspension wird je nach Verarbeitungsstufe entweder zunächst homogenisiert und gekühlt, oder sie gelangt direkt zum Zentrifugieren. Nach Kühlung und Trocknung liegen die dort abgetrennten Kristalle als reiner weißer Zucker vor.

Während der Rübenkampagne wird etwa die Hälfte des insgesamt erzeugten Dicksaftes unmittelbar zu Weißzucker umgewandelt.

Die Verarbeitungskapazität liegt derzeit bei etwa 11.250 Tonnen Rüben/Tag. Daraus werden täglich etwa 750 Tonnen Weißzucker sowie etwa 1.600 Tonnen Dicksaft hergestellt. Insgesamt erzeugt die Zuckerfabrik in der Rübenkampagne 90.000 Tonnen Weißzucker. Bereits während der Rübenkampagne wird parallel zur Zuckererzeugung ein Teil des Dicksaftes zur Herstellung von Bioethanol verwendet, der Rest wird in großen Tanks zur ganzjährigen Versorgung des Ethanolwerks mit Rohstoff gelagert.

Neben der Ethanolerzeugung wird ein Teil des Dicksafts in einer späteren Dicksaftkampagne ebenfalls noch zu Weißzucker verarbeitet. Dies erfolgt im Laufe des Frühjahres.

Neben der vollen Eigenversorgung speist die Energiezentrale der Fabrik während der Zuckerkampagne ungefähr 6 MW in das öffentliche Netz ein.

Die Verkehrsanbindung der Fabrik erfolgt über Straße, Schiene und einen Flusshafen an der Peene.


Die Produkte

Die in der Zuckerfabrik Anklam hergestellte Zuckerqualität übertrifft den von industriellen Abnehmern vorgegebenen Qualitätsstandard der EG-Kat. II.

Der Verkauf erfolgt vorrangig auf dem deutschen Markt. Zu unseren Kunden zählen Hersteller von Süßwaren, Getränken, Nährmitteln, Backwaren, Milcherzeugnissen und Konserven. Der Zucker wird überwiegend lose ausgeliefert und zuvor bei Bedarf nach kundenspezifischen Anforderungen aufbereitet.

Das Bioethanol wird von der Anklam Bioethanol GmbH hergestellt. Es ist entsprechend der gesetzlichen Nachhaltigkeitsanforderungen zertifiziert und erfüllt bereits heute die Treibhausgasminderung ab 2017. Es wird als erneuerbarer Kraftstoff an Raffinerien und Tanklager geliefert und dort bis zu 10 % dem Benzin beigemischt.

Neben Zucker für die menschliche Ernährung und Bioenergie werden aus der Zuckerrübe auch Futtermittel für viehhaltende Betriebe hergestellt. Dazu zählen Pellets, Pressschnitzel, Melasse und Vinasse.

Zur Produktion von besonders hochwertigem Futter wird ein Teil der extrahierten Rübenschnitzel in einem Verdampfungstrockner mit einer Wasserverdampfung von 29 t/h getrocknet. Das energieeffiziente und umweltfreundliche Verfahren wird mit Dampf beheizt. Die Nebenprodukte sind Wasser und Niederdruckdampf, die zu 100 % in der Fabrik wieder verwendet werden.

Zukünftig soll ein Drittel der Schnitzel für Biogas verwendet werden, um den Einsatz fossiler Energieträger deutlich zu verringern.

Die Fabrik ist auf die Einhaltung schärfster Umweltauflagen ausgelegt. Es besteht ein nach ISO 90001:2008, ISO 14001:2004 und ISO 22000:2005 zertifiziertes Qualitätsmanagement.



Text: Wikipedia

Bild: Wikipedia/Erell

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